Danke Andrea Nahles, der heutige Schritt war konsequent und verdient Respekt, ebenso wie Deine politische Lebensleistung!
Die Übernahme von Fraktions- und Parteivorsitz in einer Zeit, in der regieren und erneuern gleichzeitig gelingen muss, war ein strategischer Fehler. Hinzu kamen öffentliche Auftritte mit Fremdschäm-Effekt und am Ende auch fehlender Rückhalt in Fraktion und Parteivorstand. Es liegt aber niemals nur an einer Person,und deshalb ist es richtig, wenn ein personeller Neuanfang an Partei- sowie Fraktionsspitze jetzt gut vorbereitet sein muss und breite Akzeptanz in der Partei (und auch in der Öffentlichkeit) braucht. Sonst hätte das Ganze was vom Trainerwechsel beim HSV.
Einige meiner Genossinnen und Genossen haben in letzter Zeit relativ eindimensionale Erklärungsmuster der aktuellen Situation unserer SPD gepostet: wahlweise waren neben Nahles u.a. auch Sigmar Gabriel und Gerhard Schröder schuldig, für andere allein die Seeheimer oder die Linken. Darüber hinaus sind nicht wenige der Meinung, dass alles zwangsläufig besser wird, wenn wir sofort die GroKo verlassen. Leider greift alles zu kurz, solange wir derart destruktiv und verzagt mit unserer Situation umgehen. Wir kultivieren das Abarbeiten an früheren Vorsitzenden eher, als das Lernen aus Fehlern. Das muss sich ändern!
Klar, eine GroKo als Dauereinrichtung ist weder gut für das Land, noch für die beteiligten Parteien. Wenn wir aber nicht neues Selbstbewusstsein entwickeln, sondern im kollektiven Selbstzerstörungsmodus bleiben, ist es egal, ob wir in der Regierung sind oder in der Opposition!
Da lohnt dann doch mal ein Blick zu den Grünen, die gerade einen Hype erleben, der ihnen wohl selbst langsam unheimlich wird. Neben der Tatsache, dass der Klimaschutz gerade (zu recht) oben auf der Agenda ist, haben die Grünen strategisch einiges richtig gemacht:
Sie haben ihre Flügelkämpfe zumindest nach außen überwunden. Früher hätten sich Fundis und Realos noch über eine Koalition mit der CDU öffentlich zerlegt, heute ist das kein Thema mehr. Ihr Spitzenpersonal ist mittlerweile medienwirksam und sorgt zumindest bei großen Teilen des Bildungsbürgertums für Identifikation. Ralf Stegner oder Karl Lauterbach, die oft in den selben Talkshows sitzen, wie Habeck und Baerbrock gelingt das, bei aller Wertschätzung, leider nicht.
Zu guter letzt gewinnen die Grünen auch überall da, wo sie mit der CDU regieren trotz mitunter dürftiger Bilanz hinzu, weil sie nicht ständig bejammern, was alles nicht geht, sondern auch dort selbstbewusst ihre Ziele kommunizieren.
Kevin Kühnert hat neulich gesagt, die SPD müsse wieder stärker in der Lebenswirklichkeit der Menschen verankert sein. Recht hat er! Das gilt aber auch für die Jusos, die mitunter als akademischer Nachwuchs recht homogen daherkommen und deren Vorsitzende meist in den Büros der Bundes- und Landtagsabgeordneten arbeiten, mit dem Ziel, diese mal zu beerben.
Damit ich nicht falsch verstanden werde: die Jusos sind wichtig und ich diskutiere gerne mit ihnen, aber auch hier gilt, wie in der gesamten SPD: wir müssen die vielen repräsentieren, dazu gehören Auszubildende, Facharbeiterinnen und Facharbeiter, Betriebsräte genauso wie Akademikerinnen und Akademiker.
Vielfältig und selbstbewusst muss unsere SPD sein, dabei Solidarität leben und nicht nur plakatieren. Ich kämpfe gern dafür und weiß in Stadt und Land gute Mitstreiterinnen und Mitstreiter #braunschweigergruppe an meiner Seite. Das macht auch in dieser Situation Hoffnung.