
Herr Präsident,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
Die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten wurde im Jahr 2004 durch einstimmigen Beschluss dieses hohen Hauses ins Leben gerufen. Ihre Aufgabe sind, kurz zusammengefasst: der Opfer des Nationalsozialismus würdig zu gedenken, Erinnerungsorte und Zeugnisse des nationalsozialistischen Terrors zu erhalten und zu erforschen und Wissen über die Ursachen und die Folgen des Nationalsozialismus zu vermitteln und damit die historisch-politische Bildung zu fördern.
Im Mittelpunkt steht dabei die Gedenkstätte Bergen-Belsen. In dem ehemaligen Konzentrationslager sind über 52.000 Menschen ums Leben gekommen, sie starben nicht in Gaskammern, sondern durch die unmenschlichen Haftbedingungen, durch Hunger, Kälte, Misshandlungen, Krankheiten oder durch Exekutionen. Prominentestes Opfer war Anne Frank und als Braunschweiger Sozialdemokrat möchte ich auch Dr. Heinrich Jasper nicht unerwähnt lassen, der als früherer Ministerpräsident des Freistaats Braunschweig wenige Wochen vor der Befreiung dem nationalsozialistischen Terror zum Opfer fiel.
Mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf wird die Anzahl der Mitglieder des niedersächsischen Landtags im Stiftungsrat auf vier festgeschrieben, damit bleibt die Parität gewahrt zwischen den Vertreterinnen und Vertretern der Regierungen in Bund und Land und den Parlamentariern. Er wird aber auch zur Folge haben, dass die AfD im Stiftungsrat außen vor bleibt. Dieser Umstand hat nichts damit zu tun, dass wir die Auseinandersetzung mit den demokratisch gewählten Parlamentariern der AfD scheuen und sie deshalb ausschließen wollen. Der stellen wir als SPD-Fraktion uns jederzeit und ich glaube das gilt auch für die anderen Fraktionen in diesem hohen Hause. Der richtige Ort dafür ist allerdings dieser Plenarsaal und nicht der Stiftungsrat der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten.
Im Stiftungsrat sitzen Vertreter der Opferverbände und im Stiftungsbeirat auch Überlebende des Holocaust, die trotz hohen Alters und teilweise erheblicher gesundheitlicher Einschränkungen lange Anreisen auf sich nehmen, um ihren Beitrag zur Erinnerungskultur in Niedersachsen zu leisten. Diese Vertreterinnen und Vertreter der Opferverbände und die Überlebenden haben sich z.T. massiv dagegen ausgesprochen, dass die AfD im Stiftungsrat vertreten ist. Diese Vorbehalte und diese Ablehnung nehmen wir in der Tat sehr ernst und sie kommen nicht von ungefähr.
Ich kann ihnen berichten von persönlichen Begegnungen und Gesprächen mit Überlebenden des Holocaust, die ich außerhalb der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten gemacht habe. Zum einen in Israel, bei einem Besuch in Braunschweigs Partnerstadt Kiriat Tivon, einer Stadt welche in den 50 er Jahren aus einer Siedlung entstanden ist, die von Menschen gegründet wurde, die vor dem Holocaust aus Deutschland geflohen sind oder diesen überlebt haben. „Wir waren doch Deutsche, ein Teil dieses Landes und dieser Gesellschaft und viele von uns haben bis heute nicht verstanden, warum man uns erst ausgegrenzt und diffamiert hat, uns dann unsere Rechte genommen hat um uns am Ende umzubringen.“ Sagte mir der Rabbi Uri Themal, der als Kind den Holocaust in Berlin überlebt hat und sich sehr für freundschaftliche Kontakte zwischen Deutschland und Israel eingesetzt hat.
Das zeigt: Diese Überlebenden und ihre Hinterbliebenen, die die Familiengeschichte und damit auch die Wunden, die der Holocaust hinterlassen hat, mit sich tragen, diese Menschen haben sehr sensible Antennen dafür, dass es in Deutschland wieder politische Kräfte in den Parlamenten gibt, die Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Glaubens pauschal ausgrenzen. Politische Kräfte, die Menschen, welche in unserem Land leben und Teil dieser Gesellschaft sind nach Herkunft oder Glauben sortieren. Politische Kräfte, die den Holocaust und das Gedenken daran in Frage stellen und ein revisionistisches und revanchistisches Verständnis von der Aufarbeitung unserer Geschichte haben.
Ich hätte an diese Stelle einfach die sogenannte Dresdener Rede eines Björn Höcke zitieren können und jede und jeder, bis auf die AfD-Fraktion, hätte gewusst, was gemeint ist. Ich erspare ihnen das. Die Tatsache, dass diese Rede keine Ausfallerscheinung eines einzelnen war, ist in den letzten Tagen und Wochen deutlich untermauert worden.
Herr Gauland möchte die Integrationsbeauftragte des Bundestages in Anatolien entsorgen und Herr Poggenburg wünscht sich Mitglieder der türkischen Gemeinde bis weit nach Ostanatolien zurück und das unter lauten „Abschieben, Abschieben“-Rufen der AfD-Anhänger im Saal beim politischen Aschermittwoch. Ich könnte ihnen noch viel mehr Beispiele von Vertretern dieser Partei nennen. Beschränke mich aber auf die Aussagen von Spitzenvertretern, die zeigen, dass es sich hier nicht um Provokationen von Hinterbänklern, die sich daneben benehmen, handelt sondern um den Weg, den die AfD bewusst eingeschlagen hat.
Hatte man in der Anfangsphase dieser Partei noch den Eindruck, bei der AfD halte es sich um eine Partei bestehend aus konservativ-wirtschaftsliberalen und Rechtspopulisten, hat man jetzt den Eindruck die AfD besteht aus Rechtspopulisten und Rechtsextremen. Oder einfacher gesagt: Ich habe den Eindruck sie besteht aus zwei Lagern, den einen die bewusst rechtsextreme Positionen übernehmen und den anderen, die das tolerieren und zulassen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
der Protest der Opferverbände ist vor diesem Hintergrund nur zu verständlich und der vorliegende Gesetzentwurf folgerichtig. Denn lassen sie mich abschließend eines feststellen:
Die Erfahrungen der Überlebenden und ihrer Hinterbliebenen sind für die Erinnerungskultur von elementarer Bedeutung. Ihr Wissen an nachfolgende Generationen weiterzugeben ist wichtig und trägt dazu bei, dass wir eine Erinnerungskultur haben, auf die wir stolz sein können. Eine Erinnerungskultur, die jungen Menschen keine Schuld auflädt, die sie nicht tragen können und sollen, sondern ihnen die Verantwortung mit auf den Weg gibt, dass es nie wieder soweit kommen darf und wir alle unseren Beitrag dazu leisten müssen.
Denn eines wird einem beim Besuch einer Gedenkstätte wie Bergen-Belsen immer wieder vor Augen geführt: was im schlimmsten Fall passiert, wenn die Saat aus Ausgrenzung und Diffamierung ganzer Bevölkerungsgruppen, wenn die Saat der völkisch-nationalen Erhebung über andere, wenn also die Saat die die Höckes, Poggenburgs und Gaulands täglich legen, am Ende aufgeht. Nach wie vor gilt: wehret den Anfängen!
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!